Die Psychologie der menschlichen Erfahrung – Ein Blick auf „Die Tatsachen des Lebens“ von R. D. Laing*.
Heute begeben wir uns einmal etwas weiter in die Welt der Psychologie. Der sympathische britische Psychologie Ronald David Laing (1927-1989) hat uns mit seiner Arbeit und seinen Büchern ein beachtliches Werk hinterlassen, vor dem man nur den Hut ziehen kann. Ich denke, er hat durch sein besonderes Verständnis unserer Natur das Leben vieler Menschen greifbar verbessert.
Besonders bekannt ist sein Band „Das geteilte Selbst“, das ich jedem ans Herz legen kann, der einmal besser verstehen möchte, wie anders – ein anderer – möglicherweise denkt. Heute aber widmen wir uns den „Tatsachen des Lebens“ – ein Buch, das die Frage nach dem „Wer bin ich?“ stellt – und deshalb unbedingt in diesen Blog gehört. 🙂
In der tiefgründigen Welt der Psychologie sind nur wenige Namen so einflussreich wie der des schottischen Psychiaters Ronald David Laing (1927-1989). R. D. Laing war ein Vorreiter auf dem Gebiet der Existenzphilosophie und der Phänomenologie in der Psychiatrie und erlangte durch seine Arbeiten über die Natur der psychischen Störungen Anerkennung. Sein Werk „Die Tatsachen des Lebens“ (OT Facts of Life*), ursprünglich 1976 veröffentlicht, bietet Einblicke, die auch heute noch in der psychologischen und philosophischen Diskussion Resonanz finden.
Um die Bedeutung von Laings „Die Tatsachen des Lebens“ vollständig würdigen zu können, ist es unerlässlich, dass wir einen kurzen Blick auf die Biographie des Autors und den Kontext seiner Zeit zu werfen. Geboren in Glasgow, absolvierte Laing seine medizinische Ausbildung an der University of Glasgow. In den 1950er und 1960er Jahren war die Psychiatrie von strengen, oft institutionellen Ansätzen geprägt – und Laing bot eine radikal andere Perspektive. Bereits während seiner Ausbildung begann er, traditionelle Vorstellungen von psychischer Gesundheit und Krankheit in Frage zu stellen. Laing sah psychische Störungen nicht als bloße Krankheiten an, die es zu beseitigen gilt, sondern als verständliche und nachvollziehbare Reaktionen auf unerträgliche Situationen, die das Individuum erlebt. Diese Sichtweise führte zu einer humanistischeren und patientenzentrierten Herangehensweise in der Behandlung psychischer Leiden.
Sein erstes großes Werk, „Das geteilte Selbst“* (The Divided Self, 1960) untersucht die schizoiden und schizophrenen Persönlichkeiten. Es geht dabei zentral um die Zersplitterung der Identität und die Auswirkungen von Familienkonflikten auf das individuelle Selbstbild. Laing argumentiert, dass Schizophrenie weniger eine diagnostizierbare Krankheit als vielmehr eine verständliche Konsequenz einer verzerrten sozialen Interaktion sein könnte. – Ich lege dieses Buch gerne jedem ans Herz, der sich mit seiner eigenen Psychologie beschäftigen möchte. Auf der einen oder anderen Seite findet man sich vielleicht wieder. Oder zumindest jemanden, den man kennt. Denn problematische Störungen sind ja nur das extrem von Mustern, die wir in klein aber fast alle irgendwo selbst erlebt haben und unbewusst leben.
Die Ideen in dieser ersten „existentiellen Studie über geistige Gesundheit und Wahnsinn“ bildeten die Grundlage für Laings späteren Werke, zu denen „Das Selbst und die Anderen“* (Self and Others, 1961), „Interpersonelle Wahrnehmung“* (Interpersonal Perception, 1966) und „Knoten“* (Knots, 1970) gehören.
Auch „Die Tatsachen des Lebens“* greift viele der Themen auf, die Laing in früheren Werken angesprochen hat, und geht dabei noch einen Schritt weiter. Das Buch ist eine Sammlung von Essays, die eine breite Palette von Themen behandeln, von persönlicher Identität über zwischenmenschliche Beziehungen bis hin zu existenziellen Fragen. Der Band betrachtet dabei auch das Leben von der Geburt bis zum Tod und die Art und Weise, wie Menschen diese Existenz in einer oft entfremdenden Welt navigieren. Laing verwendet eine Mischung aus philosophischer Reflexion, lyrischer Prosa und persönlichen Anekdoten, um uns auf eine Reise durch die verschiedenen Phasen des menschlichen Lebens mitzunehmen.
Eines der zentralen Themen des Buches ist die Idee, dass jeder von uns seit Geburt an in ein Netzwerk von Beziehungen eingebunden ist, das unsere Wahrnehmung der Welt und unseres eigenen Selbst prägt. Laing schreibt: „Jedes Kind ist irgendwie in das soziale Universum seiner Eltern eingefügt, bevor es zu einem eigenen Verständnis von sich selbst kommt.“ Diese Erkenntnis ist entscheidend für das Verständnis der Art und Weise, wie wir unsere Identität konstruieren – und wie psychologische Probleme entstehen können. So lang wir nicht gut selbst reflektiert sind, gilt daher: „Wir leben in einer Welt des Scheins, in der das Irreale als real und das Reale als unreal betrachtet wird.“ Uuuhhhhh………….!
Also! Vielleicht versteht Ihr jetzt besser, warum dieser „un-esoterische“ Autor so sehr in diesen Blog gehört. Hier gebe ich Euch mal ein Zitat von Alan Watts: „Wir bemerken selten, dass zum Beispiel unsere privatesten Gedanken und Gefühle nicht unsere eigenen sind. Denn wir denken in Sprachen und Bildern, die wir nicht erfanden, sondern die uns von unserer Gesellschaft gegeben wurden.“ – Diese Worte könnten genauso gut auch von Laing sein. Es gibt einen Punkt, wo sich Psychologie und Spiritualität die Hand reichen und verschmelzen. Genau dort entsteht eine neue Art von Verständnis, dort geschehen Wunder und Heilung. 🤗
Weiterhin war Laing fasziniert von der Idee, dass Sprache sowohl ein Mittel zur Kommunikation als auch ein Mittel zur Verwirrung und Entfremdung sein kann (schon die Bibel beginnt mit „Am Anfang war das Wort“ – es ist machtvoll!). In seinem kleinen Band „Knoten“ erforscht Laing, wie sprachliche Muster unser Denken und unsere Beziehungen verkomplizieren können. Er illustriert dies mit Gedichten und Dialogen, die die zirkulären, sich selbst verstärkenden Muster menschlicher Interaktionen darstellen. Diese Ideen fließen auch in „Die Tatsachen des Lebens“ ein, in denen Laing uns zeigt, dass die Sprache oft dazu benutzt wird, die Wahrheit zu verschleiern, statt sie zu enthüllen.
Ein nahe dabei liegender Aspekt von Laings Arbeit ist seine Auseinandersetzung mit dem Konzept der Liebe. In „Liebst du mich?“* (Do You Love Me?, 1976) beschäftigt sich Laing mit der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen und der Frage, was es wirklich bedeutet, jemanden zu lieben – besonders in Zusammenhang damit, es (nur) zu sagen. Er untersucht die Dynamiken von Macht, Abhängigkeit und Authentizität in Beziehungen und wie diese Faktoren unsere Fähigkeit, Liebe zu geben und zu empfangen, beeinflussen.
Das spannende an dem Buch ist, dass es, genau wie die „Knoten“, ganz ohne Interpretationen auskommt. Es enthält nur kleine Gedichte, Dialoge, fiktive Gedanken, die direkt aus dem Leben gegriffen sein könnten. Trotzdem oder gerade deshalb kann das kleine Buch einen fast zum weinen bringen, weil ständig das Wort „Liebe“ fällt – obwohl nichts davon da ist.
Laings Betonung der zwischenmenschlichen Authentizität und emotionalen Offenheit ist von zeitloser Relevanz und erinnert uns daran, dass die Wahrheit oft in der Tiefe unserer persönlichen Erfahrungen liegt. Seine Schriften waren seiner Zeit voraus und haben viele zeitgenössische Denker beeinflusst. Laings Ansichten zu psychischen Störungen und seine Kritik an der psychiatrischen Institution waren revolutionär und trugen dazu bei, das Verständnis und die Behandlung von psychischen Erkrankungen grundlegend zu verändern.
Ich möchte Euch zum Abschluss noch ein kleines Zitat geben, das Laings besonderes Verständnis für die menschliche Natur illustriert: „Wir können von anderen nicht erwarten, dass sie uns mehr verstehen, als wir uns selbst verstehen.“ – Wow! Es klingt eigentlich so selbstverständlich und logisch. Doch ehrlich: habt Ihr darüber schon einmal nachgedacht?
So viel mehr möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr schreiben, wenn es Euch anspricht, schaut einfach mal rein. Leider gibt es von seinen Büchern keine aktuellen Ausgaben, aber auch das ist nicht gleich schlecht – denn dafür bekommt ihr vieles umso günstiger gebraucht. 😉
Abschließend kann man auf jeden Fall sagen, dass auch R. D. Laings „Die Tatsachen des Lebens“ weit mehr als nur ein Buch ist; es ist eine Erkundung dessen, was es bedeutet, ein bewusstes Wesen zu sein. Ich denke, Laings Werk ganzes bleibt zeitlos relevant und inspirierend, weil es uns herausfordert, über den Rand unserer eigenen psychologischen Landschaften hinauszublicken und die tief verwurzelten Strukturen zu hinterfragen, die unser Denken und unsere Beziehung zur Welt formen.
Während Ronald D. Laing also nicht mehr unter uns ist, lebt sein Erbe in der Suche nach einem tieferen Verständnis der „Tatsachen des Lebens“ für uns weiter. Seine Arbeit ist zugleich eine Erinnerung daran, dass trotz des Wandels der Zeit, die grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz ewig konstant bleiben und immer wieder neu einer Reflexion wert sind.
Heute nur Links zu gebrauchten Büchern: