Buchtipp! Alan Watts: Die Illusion des Ich (On the Taboo Against Knowing Who You Are)

Alan Watts: Die Illusion des Ich, im Original „The Book: On the Taboo Against Knowing Who You Are“* – der Titel sagt schon alles, oder? – „The Book.“ – Einfach, DAS Buch. 🙂

Tatsächlich ist „Die Illusion des Ich“ von Alan Watts ein beachtliches Werk in der Welt der philosophischen Literatur, das außergewöhnlich tiefgründige Fragen über das Selbst und das Bewusstsein stellt. Vielleicht ist es sogar mein Lieblingsbuch. Das Kernthema kreist um die Vorstellung, dass das „Ich“, das wir so fest zu kennen glauben, tatsächlich eine Illusion ist – eine Konstruktion unseres Bewusstseins, geformt durch unsere Sprache, Kultur und gesellschaftlichen Konventionen. Das haben uns auch schon andere vermittelt, doch Watts argumentiert dabei mit einer brillanten Klarheit, die selten in philosophischen Abhandlungen zu finden ist.

Der britische Philosoph, Schriftsteller und Sprecher Alan Watts wurde im Jahr 1915 in England geboren und verstarb 1973 im amerikanischen Kalifornien. Er zeigte schon in jungen Jahren ein ausgeprägtes Interesse an der Welt der Philosophie und Religion. Watts ist vor allem bekannt für seine Bemühungen, die östliche Philosophie dem westlichen Publikum näherzubringen schrieb im Lauf der Zeit mehrere Werke, darunter „The Way of Zen“, „The Wisdom of Insecurity“ („Die Weisheits des ungesicherten Lebens“, haben wir hier bereits besprochen) und eben auch „The Book: On the Taboo Against Knowing Who You Are“, die alle dazu beitrugen, ihm eine feste Stellung als einer der führenden Interpreten asiatischer Philosophien im 20. Jahrhundert zu sichern.

Sein heute besprochenes Werk ist nicht nur ein Zeugnis für Watts‘ tiefes Verständnis von Zen-Buddhismus und hinduistischer Metaphysik, sondern auch ein Spiegel seiner eigenen Reise und Transformation durch diese Lehren.

Buchtipp! Alan Watts: Die Illusion des Ich (On the Taboo Against Knowing Who You Are)
Wer bin ich? - Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

„Die Illusion des Ich“* betrachtet die Idee des Selbst aus verschiedenen Perspektiven und hinterfragt für uns die typisch westliche Auffassung vom Individuum. Watts argumentiert, dass das Ego, das wir als unseren innersten Kern betrachten, tatsächlich eine soziale Institution ist – eine Sammlung von Relationen, die wir mit anderen und der Welt um uns herum haben. Mit Sätzen, die reich an Weisheit sind und uns zum Nachdenken anregen, wie „Du bist nicht ein Tropfen im Ozean. Du bist der ganze Ozean in einem Tropfen“ oder „Du bist nicht ein Ergebnis der Evolution, du bist die Evolution, das Universum wird zu einem bestimmten Ort und einer bestimmten Zeit menschlich“, hebt Watts hervor, dass wir untrennbar mit dem Universum verbunden sind und wie unsere Identität weit über die Grenzen des Ego hinausgeht.

Alan Watts war dafür bekannt, komplexe Ideen nicht nur mit einem lebhaften Erzählstil, sondern auch einem Hauch von (Selbst-)Humor zu vermitteln. Er bezeichnete sich selbst schlicht als „philosophischer Entertainer“, der nichts zu verkaufen hat. Dabei verwendet Watts gern Beispiele aus der Natur, der Wissenschaft und dem Alltagsleben, um seine Punkte zu veranschaulichen. Eine seiner bekanntesten Anekdoten bezieht sich auf einen Ballon, den er als Metapher für das Ego verwendet. Er beschreibt, wie wir Luft in einen Ballon blasen und ihn dann als getrenntes Objekt betrachten, ähnlich wie wir das Ego aufblähen und es als vom Rest des Universums getrennt wahrnehmen. In Wirklichkeit sind aber sowohl der Ballon als auch das Ego durchlässig und ständig im Austausch mit ihrer Umgebung. – „Ein ‚Ich‘, das getrennt von der Umgebung betrachtet wird, ist so real wie eine einzelne Flusswelle getrennt vom Wasser.“

In „Die Illusion des Ich“ führt Watts weiter aus, wie unsere Wahrnehmung von Zeit und Raum und die Art und Weise, wie wir unsere Geschichte erzählen, dazu beitragen, die Illusion eines getrennten Egos zu schaffen. Er erklärt, dass das Leben im Grunde ein ewiger Tanz ist, ein fortwährendes Muster von Energie, das sich in unendlichen Formen ausdrückt, und unser Glaube an die Trennung ist lediglich eine Konvention, die wir erschaffen haben, um das Leben zu vereinfachen und zu verstehen. „Wir verwechseln die Welt, wie wir sie benennen und beschreiben, mit der Welt, die tatsächlich ist“ – Wow? Ja, genau! Es ist ein unglaubliches Buch, das man immer wieder lesen und Neues entdecken kann.

So überrascht es nicht, dass Alan Watts‘ Werke, einschließlich „Die Illusion des Ich“, auch zahlreiche andere Denker und Schriftsteller beeinflusst haben. Er wird oft in einem Atemzug mit Persönlichkeiten wie Joseph Campbell*, einem Experten für Mythologie, oder Carl Gustav Jung (C. G. Jung)*, dem Begründer der analytischen Psychologie, genannt. Watts‘ Betonung der Bedeutung von Mythen und Symbolen in unserem Verständnis des Selbst und des Universums findet ein Echo in Campbells Arbeiten, und seine Untersuchung des Unbewussten und der Psyche hat Parallelen zu Jungs Konzepten, den er auch persönlich kannte.

Interessanterweise war Alan Watts auch mit dem Schriftsteller Aldous Huxley* befreundet, der für seine Visionen einer dystopischen Zukunft bekannt ist („Schöne Neue Welt“*). Huxley und Watts teilten ein gemeinsames Interesse an der menschlichen Erfahrung und den Möglichkeiten, unser Bewusstsein zu erweitern. Sie erforschten, wie die Weisheiten alter Traditionen und Kulturen Licht auf unsere moderne Welt werfen können.

Im Kontext des Buches „Die Illusion des Ich“ ist es besonders bemerkenswert, wie Watts die Grenzen zwischen dem Selbst und dem Anderen verwischt. Er vertritt die Ansicht, dass das, was wir als unser ‚Ich‘ betrachten, eigentlich eine Ansammlung von Erinnerungen, sozialen Verbindungen und kulturellen Einflüssen ist – eine Maske, die wir annehmen, um in der Gesellschaft zu funktionieren. Er nutzt das Gleichnis des Netzwerks von Indra, ein buddhistisches Konzept, das das Universum als endloses Netzwerk darstellt, in dem jeder Knotenpunkt mit allen anderen verbunden ist und jede Handlung Auswirkungen auf das gesamte Netz hat. Dieses Bild hilft, die Interdependenz aller Dinge zu veranschaulichen und unterstreicht die Nicht-Existenz eines isolierten Selbst.

Denn ohne unsere Umgebung, was sind wir dann, was tun wir dann? Wir wären gar nicht mehr da. Ohne einen Hintergrund kann es keinen Vordergrund geben. Es braucht eine äußere Form, sonst erscheint uns auch keine innere Form. In Watts Worten wird es vielleicht klarer: „Ein Individuum ist, was es ist, nur in Beziehung zu allem anderen, was es nicht ist.“ Kein „Ich“ ohne ein „Du“. Kein „Hier“ ohne ein „Dort“.

Die Lehren von Alan Watts sind heute nicht ein Stück weniger bahnbrechend als sie bereits zu seinen Lebzeiten waren. Es sind universelle Botschaften und insbesondere in einer Zeit, in der die Suche nach persönlicher Identität und Sinn im Leben für viele Menschen im Vordergrund steht, haben wir ein Bedürfnis nach solchem Wissen. In einer Welt, die immer vernetzter und doch zugleich fragmentierter erscheint, bietet „Die Illusion des Ich“ eine spannende Reflexion über die eigene Rolle im Kosmos. Es fordert die Leser heraus, über die Kategorien von ‚Ich‘ und ‚Andere‘ hinaus zu denken und sich selbst als Teil eines größeren, dynamischen Prozesses zu verstehen.

Watts‘ Einfluss erstreckt sich dabei weit über die Philosophie hinaus. Seine Ideen haben Eingang in die Popkultur gefunden, sind Teil von Universitätskursen geworden und haben sogar die Entwicklung der Psychotherapie und der Selbsthilfebewegung beeinflusst. Seine Betonung der Achtsamkeit und des Lebens im gegenwärtigen Moment hat ihre Parallelen in modernen Bewegungen wie dem Mindfulness-Training und der positiven Psychologie.

In der Betrachtung von Alan Watts‘ Leben und Werk dürfen wir nicht vergessen, die Synthese zu erkennen, die er zwischen östlichen und westlichen Gedankenwelten geschaffen hat. Watts ist der Pionier darin, die Weisheiten des Ostens in einer Sprache zu präsentieren, die für uns als westliches Publikum zugänglich und verständlich sind. Dabei geht es ihm nicht um eine oberflächliche Verschmelzung oder eine romantisierte Sicht auf östliche Traditionen, sondern um ein tieferes Verständnis der menschlichen Existenz und der Natur des Bewusstseins.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Die Illusion des Ich“ ein herausragend faszinierendes Werk ist, das den Leser einlädt, die eigenen Annahmen über das Selbst und die Realität massiv zu hinterfragen. Alan Watts‘ Fähigkeit, tiefgründige philosophische Konzepte auf eine klare, ansprechende und auch provokative Weise zu kommunizieren, macht dieses Buch zu einem unverzichtbaren Lesestoff für alle, die sich für Philosophie, Psychologie oder die Suche nach einem tieferen Verständnis des Lebens interessieren.

Mit dem Lesen von „Die Illusion des Ich“ kommt man nicht umhin, die Welt und unsere Stellung in ihr vollkommen neu zu betrachten. Alan Watts, ein Mann, der sein Leben der Erforschung des Geistes und der Verbreitung von Wissen gewidmet hat, hinterlässt uns mit dem „Taboo“ ein ganz besonderes Vermächtnis, das weiterhin alle, die bereit sind, die Grenzen ihrer eigenen Wahrnehmung zu erweitern, auf einen neuen Weg führen kann.

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